Der innere Schweinehund ist ein Hedonist. Er will, dass es uns im Hier und Jetzt gut geht. Er will uns vor Anstrengung, Stress und Gefahr schützen, indem er uns verleitet, es uns in unserer „Komfortzone“ gemütlich zu machen.“

Daniela Bernhardt

Auch wenn man sich „eigentlich“ endlich mal beruflich verändern möchte, fällt das manchmal alles andere als leicht. Es kann sein, dass es schwerfällt, in die Gänge zu kommen und die Arbeit aufzunehmen. Sicherlich kann das vielerlei Gründe haben. Der innere Schweinehund ist einer davon.

Florian: „Daniela, Du bist promovierte Psychologin und hast viele Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin an der Uni Erlangen-Nürnberg gearbeitet. In Deinem 2021 veröffentlichten Studienratgeber „Die Psychologie des Schweinehunds – In 6 Schritten vom guten Vorsatz zur neuen Gewohnheit“ hast Du Dich intensiv und unterhaltsam mit dem inneren Schweinehund befasst. Woher kommt Deine Faszination für das Thema?“

Daniela: „Spannende Frage! Kurz und knapp würde ich sagen, der Schweinehund fasziniert mich vor allem deswegen, weil er unglaublich facettenreich ist und viele psychologische Themengebiete berührt – von der Motivation über Gewohnheiten bis hin zum sozialen Einfluss. Ich möchte aber auch eine Lanze für ihn brechen. In meinen Augen hat er seinen schlechten Ruf zu Unrecht!

Doch wie bin ich überhaupt auf das Thema gekommen? Am Anfang stand eine Selbstbeobachtung. Ich gehöre zu den Menschen, die zu Neujahr gerne lange Listen mit Vorsätzen formulieren. Das gab mir immer ein ganz besonderes, erhebendes Gefühl: „Wow, das ganze Jahr liegt vor mir! Ich kann so viel schaffen und verändern, ich kann ein ganz neuer Mensch werden!“ Doch trotz hoher Motivation und Zuversicht war meine Bilanz am Ende des Jahres dann oft ernüchternd: Von meinen vielen Zielen hatte ich nur wenige erreicht und echte Verhaltensänderungen gab es selten. Sich etwas vornehmen und es dann tatsächlich auch umsetzen sind einfach zwei ganz unterschiedliche Paar Stiefel.

Das habe ich auch während meiner Tätigkeit als Dozentin an der Uni immer wieder feststellen können. Viele Studierende berichteten mir, dass sie sich zu Beginn jedes neuen Semesters vornehmen, dieses Mal wirklich rechtzeitig mit dem Lernen für die Prüfungen oder dem Schreiben der Hausarbeiten zu beginnen – nur, um am Ende doch wieder drei Nachschichten einlegen zu müssen, um die Abgabefrist noch einhalten zu können.

Das Studium bietet dem Schweinehund einen idealen Nährboden – hoher Workload, wenig Struktur, hohe Anforderungen an die Selbstständigkeit. Aber auch Nicht-Studierende handeln immer wieder entgegen ihrer guten Vorsätze. So zeigt die psychologische Forschung, dass insgesamt nur etwa die Hälfte aller positiven Absichten, z.B. im Bereich Gesundheit oder Ernährung, auch in die Tat umgesetzt wird. Ein ganz gewöhnliches, alltägliches Phänomen also.

Trotzdem – Und jetzt wird es besonders spannend! – scheint uns das Ganze so unangenehm zu sein, dass wir extra ein Fabelwesen erfunden haben, dem wir die Schuld in die Schuhe schieben können: „Ich wollte wirklich! Aber der innere Schweinehund war einfach stärker.“ Überall wird vor ihm gewarnt: Er sei ein Saboteur, Widersacher, gar Feind, den es zu bekämpfen, überwinden, besiegen gilt. Was für ein schlechtes Image!

Wer sich jedoch etwas genauer mit dem Schweinehund beschäftigt, wird schnell feststellen, dass dieses schlechte Image ihm nicht gerecht wird. Schwierigkeiten bei der Realisierung von Vorsätzen haben ihre Wurzeln in vielfältigen, absolut „normalen“ psychologischen Prozessen und nicht selten tun wir sogar gut daran, dem inneren Schweinehund auch einmal nachzugeben. Ich plädiere daher dafür, ihn als Wegbegleiter, vielleicht sogar als Partner zu sehen, den man behutsam an die Leine nehmen kann – wenn man denn möchte.“

Florian: „Was bedeutet der innere Schweinehund eigentlich genau und wobei kann er uns womöglich sogar helfen?“

Daniela: „Im Fachwörterbuch sucht man den Ausdruck vergeblich. Ich verwende ihn trotzdem sehr gerne, da er in der Alltagssprache – zumindest im deutschsprachigen Raum – recht weit verbreitet ist. Wer den inneren Schweinehund nicht überwinden kann, tut etwas nicht, das er oder sie sich vorgenommen hat. Mehr Sport machen, weniger Zeit am Handy verbringen, den Keller entrümpeln … Die Absicht ist da. Aber an der Umsetzung hapert es.

Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal fehlt uns schlicht die Motivation, z.B. wenn wir einen Vorsatz nicht aus eigener Überzeugung formuliert, sondern nur von anderen übernommen haben („Eigentlich sollte ich …, weil die Gesellschaft es von mir erwartet.“). Vorsätze, zu denen uns der innere Antrieb fehlt, zerkaut unser Schweinehund besonders genüsslich.

Ähnlich ergeht es „schwammigen“ Vorsätzen ohne konkreten Plan. Ein Klassiker: „Ich will mich nicht mehr so ungesund ernähren“. Unser Gehirn weiß dann nicht, was genau zu tun ist. So bleibt es beim frommen Wunsch.

Auch Vorsätze, deren Umsetzung (zunächst) eher unangenehm ist, werden gerne im entscheidenden Moment über Bord geworfen: „Eigentlich wollte ich heute früh joggen gehen, aber draußen regnet es und das Bett ist so schön warm und kuschelig… Morgen ist auch noch ein Tag!“ Unmittelbare Belohnungen wie das warme, kuschelige Bett sind deutlich stärker mit einem Handlungsimpuls verbunden als zukünftige Belohnungen wie die positiven Gesundheitseffekte durch das Joggen.

Zudem haben wir gerade in zentralen Lebensbereichen wie Ernährung, Bewegung oder Selbstorganisation in der Regel schon feste Gewohnheiten ausgebildet. Und diese beeinflussen unser Verhalten sehr viel stärker als unsere guten Absichten. Kurzfristig mag die Umsetzung noch klappen: Im Januar sind die Fitnessstudios bekanntermaßen brechend voll. Langfristig fallen wir dann aber doch wieder in unsere alten Muster zurück und spätestens im März herrscht wieder Normalbetrieb im Fitnessstudio.

An all diesen Beispielen können wir eines erkennen: Der innere Schweinehund ist ein Hedonist. Er will, dass es uns im Hier und Jetzt gut geht. Er will uns vor Anstrengung, Stress und Gefahr schützen, indem er uns verleitet, es uns in unserer „Komfortzone“ gemütlich zu machen.

Und in manchen Situationen mag das auch sinnvoll sein, z.B. wenn wir nach einem langen, anstrengenden Tag einfach mal 5 gerade sein lassen und uns zum zehnten Mal dieselbe Folge unserer Lieblingsserie reinziehen, statt uns wie geplant an unsere Steuererklärung zu machen.

In anderen Fällen jedoch sollten wir uns fragen, wo unsere inneren Widerstände gegen eine Aufgabe eigentlich herkommen, und uns einen sanften Stups geben. Denn wenn wir notwendige, aber unangenehme Aufgaben stets nur an unser zukünftiges Ich delegieren, bringen wir uns längerfristig in eine Schieflage und Stress ist vorprogrammiert.“

Florian: „Was können wir tun, um den inneren Schweinehund zu überwinden, wenn wir ein bestimmtes Ziel im Kopf haben, aber dafür nicht in Bewegung kommen?“

Daniela: „Ein „Patentrezept“ kann ich Dir leider nicht bieten. Dafür sind die Ursachen, warum wir bestimmte Ziele nicht konsequent verfolgen, einfach zu vielfältig. Es gibt aber ein paar Fragen, die helfen können.

Frage 1: „Warum und wozu will ich dieses Ziel erreichen?“

Überlege Dir, welchen langfristigen Nutzen es Dir bringt, wenn Du dieses Ziel erreicht hast. Was ist Dein „Warum und Wozu“?

Wenn Du Dir vorgenommen hast, mehr Sport zu machen, dann könnte Dein Warum und Wozu lauten: „Ich möchte eine Person sein, die für sich und ihre Gesundheit sorgt.“ Wenn Du weniger Zeit am Handy verbringen willst, dann vielleicht „Ich möchte wieder mehr Zeit haben, über die ich selbstbestimmt verfügen kann.“

Hole den Nutzen Deines Ziels gedanklich ganz nah heran: Wie wird es sein, wenn Du Dein Ziel erreicht hast? Wie wird sich das anfühlen? Was wirst Du denken? Je besser Dir das gelingt, desto mehr Energie zur Umsetzung wird Deine Vorstellung bereitstellen.

Frage 2: „Wie packe ich es an – ganz konkret?“

Überlege Dir dann, welche konkreten Schritte Dich Deinem Ziel näherbringen. Was wirst Du genau tun?

Wenn Dein Vorsatz lautet, weniger Stress zu haben, hilft Dir vielleicht kurzfristig eine kleine Atemübung und langfristig regelmäßige aktive Entspannung. Wähle eine Maßnahme zur Stressreduktion aus, die Dir möglichst vielversprechend erscheint. Wichtig: Mach Dir den Start so leicht und angenehm wie möglich. Je nahtloser sich die Maßnahme in Deinen Alltag integrieren lässt, desto besser!

Wenn Du für Dich klar hast, was Dein erster Schritt ist, dann überlege Dir, in welcher konkreten Situation Du diesen Schritt genau umsetzen möchtest. Am besten formulierst Du gleich einen Wenn-Dann-Satz, z.B. „Wenn ich mich gestresst fühle, dann schließe ich kurz die Augen und atme 3x tief durch.“ oder „Wenn ich abends die Haustüre hinter mir geschlossen habe, dann setze ich mich auf meine Yogamatte und meditiere.“

Frage 3: „Was mache ich, wenn ein Hindernis auftritt?“

Neben einer stabilen Motivation und einem guten Plan hilft vor allem das Vorbeugen potentieller Hindernisse dabei, im entscheidenden Moment nicht „schwach“ zu werden.

Sei offen und ehrlich zu Dir selbst: Was hat Dich bisher davon abgehalten, Dein Ziel konsequent zu verfolgen? Sammle alle potentiellen Hindernisse und überlege Dir jeweils einen „Plan B“. Bei akuter Unlust beispielsweise kannst Du Dir einen 60-sekündigen Countdown auf dem Handy stellen: … 3, 2, 1 – los geht’s!

Prüfe auch Deine Ansprüche: Hindert Dich vielleicht Dein eigener Perfektionismus daran, loszulegen? Denkst Du: „Entweder ganz oder gar nicht“? Wenn Du Schwierigkeiten hast, anzufangen, ist alles besser als nichts. Dein erster Schritt kann gerne „lächerlich“ klein sein. Eine Minute Bewegung ist besser als gar keine Bewegung!

Übrigens: Bei alledem musst Du Deinen Schweinehund keineswegs an die eiserne Kette legen! Mach stattdessen einen Deal mit ihm. Nach getaner Arbeit wird gemeinsam auf der Couch gechillt.

Florian: „Wow –  ich danke Dir für Deine Erläuterungen, Perspektiven und Empfehlungen rund um den inneren Schweinehund. Sollte sich der innere Schweinehund auch in der beruflichen Veränderung „melden“, sind Deine Handlungsempfehlungen konkret übertragbar. Dabei beziehe ich mich auf die Klärung der eigenen Motivation und persönlichen Ausrichtung zur Veränderung (Frage 1), der achtsamen Planung eigener (Bewerbungs-)Aktivitäten (Frage 2) und einem bewussten Umgang mit auftretenden Hindernissen (Frage 3). Ich bin sicher, dass es auf diesem Weg der Veränderung gut tut und erlaubt ist, mit dem inneren Schweinehund nicht immer allzu hart ins Gericht zu gehen und stattdessen ab und zu mal auf der Couch zu chillen 😉 Auch im Namen der Leser*innen bedanke ich mich an der Stelle nochmals recht herzlich.“

Buchempfehlung

Bernhardt D.: Die Psychologie des Schweinehunds. In 6 Schritten vom guten Vorsatz zur neuen Gewohnheit; Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 2021

Das Buch findest Du [hier].

Zur Person:

Kontakt: Dr. Daniela Bernhardt auf [LinkedIn]