Selbstsabotage lässt uns glauben nur dann etwas im Griff zu haben, wenn wir Angst, Druck, Bewertung und alles andere aktivieren. Sie verspricht ein Heilmittel zu sein, ist aber in Wahrheit ein Gift, das Unsicherheit auslöst und nicht kuriert.
Selbstsabotage und deren Rolle in der beruflichen Veränderung
Immer wieder kann es im Leben vorkommen, dass trotz des festen Wunsches ein bestimmtes Ziel zu erreichen, der Weg doch holprig ist. Manchmal verlassen ihn Menschen sogar, ohne es EIGENTLICH zu wollen. Es kann viele Gründe dafür geben. So können innere Zweifler*innen wach werden und das Erreichen des Ziels infrage stellen, die Motivation ist nicht stark genug, die eigene Frustrationstoleranz dagegen zu gering oder der Weg an sich ist nicht klar. Beim Denken dialogisieren Menschen in der Regel. Sind sie im Modus der mentalen Selbstsabotage, sind diese Gedanken nicht mehr konstruktiv, sondern bremsend, belastend, ergebnislos und verunsichernd. Bei der mentalen Selbstsabotage greifen Menschen unbemerkt auf (z.T.) überholte Denkmuster, Erfahrungen, Überzeugungen und Prägungen zurück.
Es lassen sich zwei Arten von Selbstsabotage unterscheiden. Situative Selbstsabotage ist lästig und stört – allerdings nur in einer konkreten Situation. Häufig kennen Menschen solche Situationen und versuchen sie manchmal zu vermeiden – nicht immer zum eigenen Vorteil. Beispiel: Du schickst Deine Bewerbung (doch) nicht ab, weil Du davor Angst hast, die Anforderungen nicht gänzlich zu erfüllen. Oder: Du meldest Dich vor dem Bewerbungsgespräch krank, weil Du plötzlich Angst hast nicht überzeugen zu können. Und auch das: Du lehnst ein Jobangebot ab, weil Du unsicher bist, was da wirklich auf Dich zukommt. Hinter der chronischen Selbstsabotage verbergen sich grundsätzliche Muster, Überzeugungen, Einstellungen. Sie haben sich im Laufe unseres Lebens tief eingeprägt (z.B. durch Erziehung).
Manchmal sabotieren sich Menschen also auf ihrem Weg auch „immer wieder“ selbst. In diesem Artikel schauen wir uns die häufigsten Selbstsaboteure und deren „Erkennungsmerkmale“ einmal genauer an. Daran kannst Du erkennen, ob sie auch für Dich eine Rolle spielen. Und das lohnt sich: Denn die Auseinandersetzung mit typischen mentalen Selbstsaboteuren und vor allem deren Überwindung hilft Dir bei Deiner optimalen Potenzial Ausschöpfung, beim bewussten Navigieren in Veränderungssituationen, bei Deiner Selbstkenntnis und einem selbstbewussteren agieren in beruflichen Veränderungssituationen.
Stärken hinter der chronische Selbstsabotage
Ja, Du hast richtig gelesen. Hinter den Selbstsaboteuren verbergen sich (möglicherweise) ungeahnte Stärken, die im Laufe unseres Lebens durch Prägung, Erziehung und Resonanz einer Korrektur unterlaufen sind. Dadurch sind sie in den Hintergrund oder womöglich sogar in Vergessenheit geraten.
Beispiele für chronische Selbstsabotage und deren Stärken
Nachfolgend werden typische „Saboteure“ mit Beispielen aus der beruflichen Veränderung und den dahinter liegenden Stärken erläutert.
- Katastrophisieren: Bei diesem „Sabotageakt“ werden mentale Katastrophenszenarios heraufbeschwört. Sie können dazu führen, dass andere denkbare Szenarien ausgeblendet werden und der Fokus richtet sich auf den am schlimmsten anzunehmenden Fall. Die Eintrittswahrscheinlichkeit des „worst case“ Szenarios wird allerdings nicht mehr kritisch reflektiert. Neben Stressreaktionen wie z.B. einem Absicherungsverhalten (=Vorbereitung auf den schlimmsten Fall) kann dieser Sabotageakt im stärksten Fall zu Blockade und (gefühlter) Handlungsunfähigkeit führen. Gerade in Stresssituationen, wie einem anstehenden Bewerbungsgespräch oder Auswahlverfahren, kann dieser Saboteur zu unruhigen Nächten führen. Die Gedanken kreisen dann bspw. ständig um die eigenen Defizite, Fragestellungen auf die man (noch) keine Antwort hat und um die Angst sich zu blamieren oder nicht zu überzeugen. Und das leider eher ohne Lösung – man „suhlt“ sich im Problem Szenario. Daher kann dieser Saboteur Vorbereitungen auf die Gespräche ausbremsen oder gar zu „Blackouts“ im Sinne einer geistigen Blockade führen. Die Stärke dieses Saboteurs besteht darin, dass hinter der Angst möglicherweise die Lust auf außergewöhnliche Erlebnisse und Abenteuer wartet und ein ureigener und völlig natürlicher Mut darauf, entdeckt und für das Leben eingesetzt zu werden. Diese Abenteuerlust hat dann womöglich die Korrektur erfahren, dass eben auch „Schlimmes“ passieren kann.
- Bewertung: Menschen sabotieren sich mittels ihrer Bewertungen, indem sie sich und andere an einem Ideal messen und dann unangemessen ab- oder aufwerten. Gemäß dem Motto: „Wer das Haar in der Suppe sucht, der findet es auch.“ In Restrukturierungsmaßnahmen mit Stellenbesetzungsverfahren beispielsweise, führt dieser Saboteur dazu, dass Menschen für bestimmte Optionen trotz sehr guter Passung nicht votieren, da sie der Überzeugung sind, dass sich andere und sehr viel bessere Kandidat*innen auf dieselbe Stelle bewerben werden. Und „sowieso“ sicher den Vorrang bekämen. In der Praxis führt das dann auch mal dazu, dass attraktive Rollen „überraschenderweise“ unbesetzt bleiben. Die Stärke des Saboteurs besteht darin, dass hier Fähigkeiten zur unvoreingenommenen Offenheit, zur feinen Beobachtungsgabe und dem Interesse an unterschiedlichsten Erscheinungsformen des Lebens warten.
- Selbstverleugnung: Menschen nehmen sich hier über Gebühr zurück und geben den Interessen anderer den Vorrang. Das ist Verrat an sich selbst. In der Praxis kann das dazu führen, dass sich ein Mensch – obwohl die Entscheidung zur Veränderung längst getroffen ist – nicht ausreichend um seine eigenen Bewerbungsaktivitäten kümmert. Stattdessen werden Anliegen der Führungskraft, der Kund*innen und Kolleg*innen oder der Familie, bzw. andere „Verpflichtungen“ vorgezogen. Das „Ja“ zu diesen Themen ist gleichwohl auch ein „Nein“ zu den eigenen Zielen. Die Stärke wartet im eigenen Individuationsprozess zu der originellen Person, die man eigentlich ist und die Fähigkeit mit anderen zu kooperieren, ohne sich zu verlieren.
- Druckmacher: Bei diesem Saboteur setzen sich Menschen unter Druck. Sie beschimpfen und bedrohen sich dabei innerlich selbst. Machen sich Menschen beruflich auf den Weg, kann der Saboteur „Druckmacher“ dazu führen, dass schon die Erstellung der Bewerbungsunterlagen als Stress empfunden werden. Im Beratungsalltag hört sich das beispielsweise so an: „Da muss ein klarerer roter Faden rein!“. Oder auch: „Ich muss einer der ersten sein, die nach Veröffentlichung der Ausschreibung die Bewerbung einreichen!“. Suboptimal, wenn es dadurch beispielsweise zu „Schnellschüssen“ kommt.Die Stärke dieses Saboteurs besteht darin, dass hier die Fähigkeit wartet, entspannt, offen und mit eigenem Tempo neue Ergebnisse zu erzielen. Auch das kann im Laufe des Lebens (z.B. durch elterlichen Einfluss) „verlernt“ worden sein.
- Misstrauen: Menschen misstrauen sich selbst und anderen übertrieben und vermuten Böses. In meinem Beratungsalltag beschreiben Menschen, dass vor einem Bewerbungsgespräch Grundnervosität und Sorge auch in Misstrauen umschlagen kann. Dazu passen beispielhaft die folgenden Aussagen: „Die Recruiter*innen und Führungskräfte wollen mich im Interview bestimmt auseinandernehmen!“, „Sonst bin ich ja schon ganz eloquent, aber wahrscheinlich bringe ich in dem Vorstellungsgespräch den Mund nur schwer auf…“. Dieser Saboteur kann dazu führen, dass Kandidat*innen schon mit einer negativen Grundhaltung in das Gespräch gehen. Das Risiko der „Self fulfilling Prophecy“ ist dann durchaus gegeben. Hinter diesem Saboteur steht eine Welt voller Offenheit und der Fähigkeit sich einzulassen und erwachsene, vertrauensvolle Begegnungen zu erleben.
- Bizarre Regeln: Menschen unterwerfen sich teils überholter und bizarrer Regeln. Meinungen werden zur Regel, die nicht mehr hinterfragt wird und sich im Laufe der Zeit einbrennt. Oft höre ich den Satz „In meinem Alter finde ich doch eh nichts mehr“. Bei genauerer Betrachtung fällt es Klient*innen dann schwer, die Quellen dieser Meinung anzuführen. Und wenn der „Nachbar der Cousine 2. Grades“ mit Mitte 50 Probleme beim Jobwechsel hat, so lässt sich daraus schnell die Regel „Ab Mitte 50 finde ich nichts mehr“ ableiten. Dies unabhängig davon, ob der Nachbar vielleicht auch einfach schlechte Bewerbungsunterlagen schreibt oder sich auf unpassende Jobs bewirbt. Hinter dem Saboteur warten eine atemberaubende, freie Kreativität und wirklich neue Ideen und Wege, die Menschen selbst und andere weiterbringen.
- Übermotivation: Menschen verlieren ihre eigene Urteilskraft und verlieren sich in Begeisterungsszenarien oder reden Dinge schön. Dieser Saboteur kann zu Selbstüberschätzung führen. Menschen bewerben sich dann auch auf Ausschreibungen, deren Anforderungen sie ungenügend bzw. in wesentlichen Komponenten nicht erfüllen. Die Stärke: Hier wartet das tiefe Wissen darum, was wirklich wichtig und lebenswert ist und dass man jederzeit mit allem als erwachsener Mensch umgehen kann. Aber auch die Fähigkeiten, mit Gelassenheit und Vertrauen wirklich große Dinge zu bewegen.
Mentaler Selbstsabotage erkennen
Wie eingangs erwähnt, findet Denken in der Regel durch Dialogisieren mit uns selbst statt. An den folgenden Indikatoren kannst Du erkennen, ob Selbstsabotage möglicherweise am Werk ist:
- Deine Gedanken sind einem oder mehrerer Saboteure zuzuordnen und sie lösen schlechte oder aber unangemessen Gefühle aus.
- Die Saboteure interagieren teilweise auch gemeinsam und können in Blockaden münden.
- Du sprichst wie mit einem Kind zu Dir (kritisieren, lobend, abwertend) oder aus der Kind Haltung heraus (jammernd, quengelnd, hilflos, abhängig). Wir sprechen uns insbesondere dann oft in der „Du Haltung“ an.
- Du setzt Dich mit dem Gedanken unter Druck und wertest Dich oder andere gedanklich ab.
- Du stellst Deine Interessen hinter die anderer, verleugnest Dich, argumentierst gegen Dich selbst oder stellst Regeln auf, die Dich blockieren.
- Du beschwörst Ängste und Katastrophenszenarien auf, oder hegst übertriebenes Misstrauen.
- Du erhöhst mit „wenn, dann“- oder „entweder, oder“-Konstrukten den Druck auf Dich selbst.
- Der Gedanke führt zu unangemessenen und manchmal unlogischen Handlungen oder Verhaltensweisen.
- Das Ergebnis des Gedankens bringt Fehlentscheidungen, Blockade oder Selbstsabotage Deiner eigenen Bedürfnisse, Interessen oder Ansichten mit sich.
Und nun?
Das Fiese bei Akten der Selbstsabotage: Sie sind eigentlich auf Sicherheit und Kontrolle ausgerichtet. Sie „versprechen“ uns nur dann etwas im Griff zu haben, wenn wir Angst, Druck, Bewertung und alles andere aktivieren. Die Selbstsabotage verspricht ein Heilmittel zu sein, ist aber in Wahrheit ein Gift, das Unsicherheit auslöst und nicht kuriert.
Wir haben die Stärken hinter den Saboteuren in uns. Allerdings haben wir gelernt, dass diese Stärken „nicht sein dürfen“ oder in der Form „nicht ok“ sind. Ein erster Schritt ist also, sich der eigenen Stärken (wieder) bewusst zu werden. In einem der nächsten Blogartikel gehe ich darauf ein, wie Du weiter an Selbstsaboteuren arbeiten kannst.
Buchempfehlung und Quelle
Petra Bock, Mindfuck – Das Coaching. Wie Sie mentale Selbstsabotage überwinden, 2013, Knaur Verlag.
Zu guter Letzt
Wenn Dir die Überwindung Deiner Selbstsaboteure im Laufe Deiner beruflichen Veränderung wichtig ist, kannst Du unabhängig einer Registrierung auf MEIN-NÄCHSTER-JOB.DE unter coaching@mein-naechster-job.de eine Beratungsstunde vereinbaren. Die Konditionen findest Du [hier].
Welche Empfehlungen kannst Du im Umgang mit Selbstsabotage geben um? Ich freue mich auf Deine Kommentare.
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